Der Mensch ist ein soziales Wesen. Identität, Charakter und Persönlichkeit sind nur erwerbbar durch intensive, vergleichende, mehr oder weniger subtile Beschäftigung mit den Eindrücken und Beispielen, die andere Menschen bzw. Gruppen, ihre Überzeugungen, ihre Ideale, ihre Werte uns vermitteln. „Der Mensch wird am Du zum Ich“, dieser Satz von Buber (2002) bringt die soziale Komponente der menschlichen Natur prägnant zum Ausdruck.
Die Entwicklung einer psychischen oder sozialen Störung hat immer auch etwas mit dem sozialen Miteinander des Jugendlichen zu tun. So kann auch die Behandlung nur in einem sozialen Rahmen stattfinden und wirken. Hierbei ist von Seiten der Einrichtung und ihrer Mitarbeiter eine den Menschen grundsätzlich in all seinen positiven und negativen Fassetten akzeptierende Haltung Voraussetzung. Nur auf dem Hintergrund dieser Akzeptanz (auch teilweise mit Empathie bezeichnet) kann der Pädagoge oder Therapeut, wenn notwendig, verschiedene Verhaltensweisen kritisieren und den Jugendlichen mit seinem Verhalten und dessen Auswirkungen konfrontieren. Die Bereitschaft zur Auseinandersetzung mit seinen Defiziten setzt das Grundgefühl akzeptiert zu werden voraus. Dieses Miteinander beinhaltet aber auch das Akzeptieren von grundlegenden Strukturen und den Grenzen anderer Personen. Auf diese Grundakzeptanz sollte auch in der Hausgemeinschaft hingewirkt werden, das unbeteiligte Nebeneinander soll vermieden werden.
Pädagogische Betreuung und Therapie finden bei uns also immer in einem sozialen Rahmen statt. Hauptgaranten hierfür sind:
Die Struktur bildet den Rahmen des Miteinanderlebens und –arbeitens, wie im realen Leben, so auch in einer pädagogischen Einrichtung. Nie waren psychische Störungen – bereits bei Kindern im Vorschulalter - so gehäuft wie heutzutage, was auf einen Verlust der Familienstrukturen zurückzuführen ist, was wiederum mit der mangelnden Zeit der Eltern und deren Nicht-Verfügbarkeit erklärt wird (DeGrandpre, 2002).
Regeln und Strukturen werden allen Beteiligten (Mitarbeitern und Jugendlichen) von Einrichtungsseite (oder im realen Leben von der Gesellschaft) vorgegeben, um einen Freiraum für das pädagogische und therapeutische Arbeiten zu schaffen. Da Pubertät immer ein Auflehnen gegen die vorgegebenen Strukturen der Erwachsenenwelt beinhaltet und Sucht häufig auch etwas mit Strukturverlust zu tun hat, treten in Einrichtungen mit dieser Klientel an den Berührungspunkten von vorgegebener Struktur und gewünschten Freiräumen häufig Konflikte auf. Diese sind aber grundsätzlich positiv zu bewerten und pädagogisch zu bearbeiten. Auch sollen solche Strukturen nicht starr sein, sondern in bestimmten Formen veränderbar.
Grundsätzlich soll das in unseren Einrichtungen in Form einer Haus- und Zimmerordnung installierte Regelsystem nur das Zusammenleben der Bewohner untereinander und der Bewohner und Mitarbeiter regeln.
Das Regelsystem der Einrichtungen ist kein starres, in sich rigides System, sondern, wie die pädagogische Arbeit auch, durchschaubar und änderbar.
Grundsätzlich ist hier ein Entwicklungsprozess angestrebt: Zu Beginn der Maßnahme sind die Strukturvorgaben durch die Mitarbeiter hoch, da noch keine Eigenverantwortung übernommen werden kann. Je länger die Jugendlichen in unserer Betreuung sind , um so mehr innere Strukturen verbunden mit Eigen- und Fremdverantwortung bauen sie auf und die Mitarbeiter können externe Strukturen zurücknehmen. Gegen Ende der Maßnahme sollten so viele eigene Strukturen vorhanden sein, dass das Team sich auf eine Coachingposition zurückziehen kann und die Jugendlichen im Rahmen einer Selbstverwaltung die Regeln entwerfen.
Zeit ist der Aspekt, der unser Leben am nachhaltigsten beeinflusst. Viele der heute rasch zunehmenden psychosomatischen, somatoformen und Erschöpfungszustände werden auf die überfordernde Hektik der modernen Lebenswelten und ständige Verfügbarkeiten zurückgeführt (Krumpholz-Reichel, 2002).
Grundsätzlich fließt Zeit linear. Im Zusammenhang mit einer heilpädagogischen Einrichtung ist auf zwei Aspekte hinzuweisen. Die gemeinsame Zeit ist für Jugendliche und Mitarbeiter begrenzt. Daran sollen sich auch die angestrebten Ziele orientieren. Häufig ist auf beiden Seiten eine übermäßige Erwartung an die gemeinsamen Möglichkeiten geknüpft, die dann konsequenterweise zu Frustrationen bei Nichterfüllung führen kann. Der zweite Aspekt ist der Entwicklungsgedanke. Der Jugendliche entwickelt sich im Laufe seines Aufenthaltes. Diese Entwicklung muss aber nicht zwingender Weise linear verlaufen. Es kann zu Rückschritten kommen (z. B. Rückfall). Dies ist Teil einer normalen Entwicklung und natürlich auch jeder Therapie und entsprechend zu akzeptieren und einzuarbeiten. So unterteilt Wing (1991) den Genesungsprozess von alkoholabhängigen Jugendlichen in 4 Stufen:
Ziel der zeitlichen Gliederung des Tages ist es, einen Arbeitstag im Wochenrhythmus realitätsgerecht als Vorbereitung auf den späteren normalen Alltag zu gestalten. Ein weiteres Ziel ist die Wiederherstellung von Zeitrhythmen als Taktgeber für vegetative Funktionen und soziale Handlungsabläufe. Interpersonell soll ein präzise eingehaltenes Zeitschema Variablen wie Verlässlichkeit, Zuverlässigkeit und Sicherheit im Beziehungsverhalten erfahrbar machen.
Die Wirksamkeit der pädagogisch-therapeutischen Angebote kann sich im Rahmen von verschiedenen Phasen entfalten, in die der Aufenthalt in unserer Einrichtungen untergliedert ist. Innerhalb des pädagogisch-therapeutischen Phasenmodells können jene geschlossenen Strukturen aufgebaut werden, die Stabilität und Kontrollierbarkeit ermöglichen. Beides ist notwendig, um formulierte Therapieziele zu erreichen und zu überprüfen.
Grundsätzlich unterteilt sich der Aufenthalt der Jugendlichen also in verschiedene Phasen, wobei wir von vorneherein keine zeitlichen Vorgaben für die jeweilige Länge der Phase machen. Zwar wird jeder Jugendliche diese Phasen durchlaufen, aber die persönliche Reife und Entwicklung sowie die notwendigen Interventionen werden zu einer unterschiedlichen zeitlichen Abfolge führen.
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